Eine ernste Geschichte ...



von Wolfgang von der Kammer

Insgesamt habe ich fast dreizehn Jahre lang in drei Standorten das Amt der Vertrauensperson in der Dienstgradgruppe der Unteroffiziere ausgeübt. Der Gesetzgeber hat die jeweilige Vertrauensperson und den entsprechenden Disziplinarvorgesetzten zu beiderseitigem Fingerspitzengefühl und Augenmaß angehalten.

Da die Aufrechterhaltung des Dienstbetriebes dabei im Vordergrund stand, saß der Disziplinarvorgesetzte in aller Regel am längeren Hebel. Es galt als absolut unüblich, bei Unstimmigkeit den nächst höheren Vorgesetzten zu belasten. Tat man damit doch kund, dass man nicht in der Lage war, mit den gegebenen Möglichkeiten eine Lösung herbeizuführen.

Die wohl schwierigste Phase in diesem Amt habe ich Ende der 80-er Jahre im Fernmeldesektor Q erlebt. Der damalige Sektorchef war immer bemüht, den Stellenwert der Unteroffiziere zu minimieren. Mit einer Strategie der hundert Nadelstiche arbeitete er an diesem Ziel.

Aus meiner Sicht unzweifelhaft, hatte das Unteroffizierkorps in der Kaserne Hambühren bis zu diesem Zeitpunkt gewisse Freiräume. Freilich gab es dabei auch mal Ausrutscher, aber in der Regel wurde mit großem Verantwortungsbewusstsein damit umgegangen. Niemand der vorhergehenden Sektorchefs sah sich zu einer Korrektur gezwungen. Es herrschte eine Art harmonischen Gleichgewichtes.

Dieses Gleichgewicht war aus dem Lot geraten. Der Spielraum für Kompromisse war irgendwann verbraucht. So geschehen, als es darum ging, Räumlichkeiten für eine geplante Weiterbildung zu schaffen. Der Berufsförderungsdienst hatte bereits zugesagt und wollte mit der Installation von DV-Gerät im von der Unteroffiziervereinigung genutzten Giebelraum beginnen. Es war eine vom Grundsatz her vernünftige Idee, wenn wie ursprünglich geplant ein Giebelraum im Block 12 genutzt worden wäre.

Dem Chef ging es hier jedoch um das Prinzip von Befehl und Gehorsam. Er wollte abermals die Unteroffiziervereinigung treffen und von seinem Hausrecht Gebrauch machen.

Alles reden und debattieren half nichts. Die Lage wurde ernst. Mir blieb keine andere Wahl und so telefonierte ich, wenn auch unbeholfen, in dieser Angelegenheit mit dem Regimentskommandeur.

Dem Kommandeur war eine gewisse Vaterrolle zu eigen und obschon es ihm unbehaglich war, wich er seiner Verantwortung nicht aus. Er rief dann im Laufe des Tages zurück und schickte mich zu einem Gespräch mit dem Sektorchef. Erbauende Worte hatte er nicht für mich bereit, aber es war auch kein Vorwurf herauszuhören.

Ich ging also zum Chef. Es war kein angenehmes Gespräch. Ich will es mal so ausdrücken. Er fühlte sich nun von mir hintergangen und der vertrauensvollen Arbeitsgrundlage beraubt, die es seiner Meinung nach noch gab. Er hatte wohl Zweifel und lehnte eine weitere Zusammenarbeit mit der Vertrauensperson nicht offiziell ab.

Ich wollte das auch nicht tun. Es hätte an der Sache nichts geändert. Eine neue Vertrauensperson hätte exakt dort weitergemacht, wo ich aufgehört hätte. In der Folgezeit haben wir uns nur noch ertragen, mehr war für beide Seiten nicht möglich.

Die geplante Maßnahme wurde so nicht verwirklicht. Wie so oft in solchen Situationen haben am Ende alle verloren. Erst lange Zeit später wurde unter Federführung eines Chefvertreters ein Lehrgang im Block 12 angeboten. Kein wirklich glückliches Ende, sondern eine ernste Geschichte im Verlauf von fünfzig Jahren.